Shitali für die Erde
Ja, wenn das so einfach wäre, etwas Shitali-Pranayama (eine kühlende Atemtechnik) für Mutter Erde, und dann ist alles wieder gut und wir können weitermachen wie bisher.
Für tausende Schulkinder weltweit ist ein weiter-so inakzeptabel. Sie demonstrieren jeden Freitag für ihre Zukunft. Dies wurde initiiert durch das Engagement von Greta Thunberg. Sie rief diese fridays-for-future-Kampagne ins Leben.
Und was tun wir (Yogaleute)?
Ich lese in der Tageszeitung gerne die Kolumne einer bekannten Yogalehrerin aus Berlin1. Sie fährt einen SUV, schreibt sie recht provokant, aus Protest gegen Weltverbesserer-Ideologien (?).
Dann erfahre ich von einer anderen Yogalehrerin, dass sie ihr Yogavideo auf einem Kreuzfahrtschiff dreht – während die giftigen Schweröl- und Diesel-Emissionen zur Erhöhung des Meeresspiegels beitragen. Eine weitere Yogalehrerin fliegt von Berlin nach München zu einem Yoga-Kongress – und zeitgleich machen sich die indigenen Einwohner auf einer kleinen Insel vor Panama mit Umzugsplänen aufs Festland vertraut, da ihr Lebensraum verschwindet2. Das passiert jetzt.
Denkst du, es gibt da keinen Zusammenhang?
Ich möchte dich einladen darüber nachzudenken, wie das zusammenpasst mit den yamas, die wir Yogalehrende vermitteln. Mit ahimsa, der Gewaltlosigkeit, unserer ethischen Grundlage.
Während in der Yogaszene der vegane Lebensstil absolut en vogue ist, scheint die Bedeutung der Vielfliegerei mit ihrer Beeinflussung auf Tiere und deren Lebensraum (Eisbären), sowie ganzer Ökosysteme noch nicht in unserem Bewusstsein angekommen zu sein.
Meditation auf Mallorca – Tiefenentspannung im Tessin – Pranayama in Peru
Die Yoga-Reisebranche boomt!
Wir jetten von einem Yogaevent zum nächsten. Wir suchen Entspannung im Yogaresort auf Costa Rica, buchen die Yogalehrerausbildung auf Bali oder fliegen eben mal für ein verlängertes Wochenende in die Toskana, nach Kreta, Korfu, oder oder oder.
Und ich dachte, Yoga ist die Reise nach innen – oder habe ich da was nicht verstanden?
Glaubst du, du tust soviel Gutes mit Yoga, dass deine persönliche Klimabilanz ruhig desaströs aussehen darf?
Glaubst du, dass die Intelligenz des Menschen, die Ergebnisse von Wissenschaft und Forschung es schon richten werden?
Glaubst du, dass die Erde sich selbst rettet, z.B. mit ein paar Vulkanausbrüchen, die die Sonne verdunkeln (wie in der Kleinen Eiszeit) und dadurch die globale Temperatur gesenkt wird?
Oder glaubst du, dass jede/r einzelne etwas tun kann?
Entscheide selbst wie du sein willst und handle danach!
Mich inspiriert im Augenblick die Entschlossenheit einer Greta Thunberg (wahrscheinlich auch, weil mir diese Konsequenz im Handeln noch fehlt).
Hier ein Auszug aus dem Interview mit Greta Thunberg am 31.03.2019 bei Anne Will:
Ich bin realistisch, ich sehe Fakten, ich weiß, was getan werden muss, und dann tue ich es einfach. Ich habe keine Zweifel und ich muss es nicht überdenken. Wenn ich mich entscheide, etwas zu tun und wenn es etwas ist, wo ich wirklich leidenschaftlich bin, dann tue ich es. Es gibt da keine andere Wahl.
Manche Menschen sagen – oh Klimawandel ist doch so wichtig – und trotzdem machen sie genauso weiter wie vorher und ich verstehe nicht, wie man eine solche Doppelmoral haben kann. Wenn ich denke, dass etwas wichtig ist, dann widme ich meine Energie zu 100 Prozent dieser Sache und ich kann nicht das machen und gleichzeitig das Gegenteil so wie Menschen das heute tun. Entweder ich lebe nachhaltig oder ich lebe nicht nachhaltig.
Diese Einstellung von Greta Thunberg erinnert mich an mahavrata.
In Patanjalis´ Yogasutren heißt es in Kapitel II.31 (in Bezug auf die yamas):
Diese Regeln (yamas) umfassen das große Gelübde, das alle Bereiche des Lebens durchdringt und unabhängig ist von den Begrenzungen durch Geburt, Ort, Zeit und Umstände.3 Dieses unumgängliche Gelübde wird mahavrata genannt und gilt universell. Wenn in den yamas steht du sollst nicht töten, dann gilt es ohne Ausnahme. In manchen Traditionen wird von anuvrata gesprochen, dort werden die yamas mit einigen Einschränkungen befolgt.
Ob wir Yogaleute die yamas jemals so konsequent verinnerlichen und leben werden wie es uns die 16-jährige Greta Thunberg beim Thema Nachhaltigkeit vorlebt? (und ist es überhaupt sinnvoll?)
Darüber werde ich noch eine Weile nachdenken –
bis dahin einen herzlichen yogischen Gruß,
Eure Monika
1 Im Tagesspiegel vom 07.01.2019
2 Die Flutprobe – Tagesspiegel vom 01.04.2019
3 Die Wurzeln des Yoga von Deshpande/Bäumer
Trackbacks/Pingbacks